C2C heißt Cradle to Cradle

Was ist eigentlich Qualität? Wir verbrauchen tagtäglich Artikel, die uns angepriesen werden als 1a Qualität, Häufig bedeutet das: sie sollen effizient sein, preiswert („den Preis wert“) und praktisch. Meist werden aber wichtige Fragen dabei ausgespart: ist das Produkt ungiftig oder gefährdet es die Gesundheit? Was passiert nach der Verwendung – belastet es die Umwelt?  Das Konzept „Cradle to Cradle – von der Wiege zur Wiege“ versucht hier ganz neue Wege vorzuschlagen, ein Umdenken anzuregen und so Nachhaltigkeit neu zu definieren.Über sechzig Buchholzer Bürger waren gekommen, um der Buchholzerin Monika Griefahn zuzuhören. Als Greenpeace-Aktivistin und niedersächsische Umweltminsterin (1990-98) hatte sie sich einen Namen gemacht. Seit einigen Jahren engagiert sie sich für das u.a. von ihrem Mann, Michael Braungart entwickelte Konzept „Cradle to Cradle“ und sitzt dem gleichnamigen Verein vor.

Worum ging es in dieser Veranstaltung des Runden Tisches Natur-, Umwelt- und Tierschutz in Buchholz? Um nichts weniger als eine kopernikanische Wende im Umgang mit Ressourcen, so klang es für den Außenstehenden. Jeder Verbrauch sollte auf einige grundlegende Aspekte hin beleuchtet werden: muss ich das Produkt kaufen – oder kann der Nutzer nur eine Dienstleistung kaufen, die Hardware aber im Eigentum des Produzenten belassen? Am Beispiel eines PC-Druckers würde das heißen: ich kaufe nicht den Drucker, sonern 10.000 DINa4-Drucke. die Firma garantieert mir einen funktionierenden Drucker und ausreichend Toner, ganz egal, wie lange ich brauche, um das Druckkontingent auszunutzen. Der Produzent hätte plötzlich ein Interesse an möglichst langlebigen Geräten ohne „Sollbruchstelle“, der Nutzer würde in Abständen ein neues Gerät hingestellt kriegen, also vom technischen Fortschritt profitieren. Für beide Seiten würde der Deal profitabel, und vor allem die Umwelt könnte aufatmen: weniger Elektronikschrott, weniger Toner-Orgien (Sparsamkeit des Geräts wäe im Interesse des Produzenten). „Nutzen statt besitzen“ ist das neue Motto.

Der zweite grundsätzlich neue Ansatz ist das Design des Produkts von Anfang an auf die Nutzbarkeit am Ende: schon bei der Konstruktion soll alles getan werden, damit das Gerät, wenn es nicht mehr gebraucht wird, schonend und möglichst umfassend trennen und weiter verwenden zu können. Weniger unterschiedliche Stoffe beim Bau oder der Fertigung (Seife CD: statt 27 neuerdings nur noch 9 Stoffe) erleichtern es, Stoffe wieder zu trennen und sortenrein als Rohstoff wieder verwenden zu können. So entsteht ein technischer Kreislauf, mit dem wir die drohenden Engpässe bei Rohstoffen wie seltenen Erden, Phosphor oder Kupfer vorbeugen können. Wenn das nicht geschieht, ist in wenigen Jahren Schluss mit vielen Produktionswegen.

Das Problemfeld Feinstaub ist ein Beispiel für verantwortungslosen Umgang mit technischen Geräten: Reifen werden abgefahren, der feine Staub aus altem Reifengummi bleibt in der Umwelt. Er ist so fein, dass er nicht einzufangen ist, aber wahrscheinlich extrem gesundheitsschädlich.

Bei vielen Müllsegmenten ist das ähnlich: Plastiktüten belasten die Weltmeere mit riesigen Plastik-Inseln. In Finnland liegt der Plastiktütenverbrauch pro Person bei 4 pro Jahr, in Deutschland bei sechzig, in Osteuropa über 200. Genau wie Zigarettenfilter sind diese Müllbestandteile fast unvergänglich. Ein unübersehbares Gefahrenpotenzial kommt mit der Nano-Technologie auf uns zu: winzigste Chemie-Partikel in Kosmetika, Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen erschließen eine faszinierende Welt neuer Nutzungen (nie wieder Fenster putzen, Kleidungsstücke für Outdoorsport mit ungeahntem Tragekomfort, Tiefkühlkost, die durch Farbskala anzeigt, ob die Kühlkette durchgehalten wurder usw.). Aber die Gefährdungen durch Haut- oder Lungengängigkeit und daraus resultierende Erkrankungen  sind völlig unerforscht. Erst mal wird gemacht, dann gedacht.

Kommentar

Die Gefahren, die durch bedenkenlosen Verbrauch unserer Umwelt auf uns zukommen, sind plausibel und Frau Griefahn hat sie anschaulich vor Augen geführt. Die Ideen des „Cradle to Cradle“-Konzepts sind spannend und machen neugierig. Viele der abzusehenden Risiken könnnten daduch abgewendet werden.

Gleichwohl blieb in der lebhaften Diskussion nach dem Vortrag von Frau Griefahn ein schaler Beigeschmack. Wenn alle sparen können (Beispiel PC-Drucker) und sich dadurch der Wirtschaftskreislauf nicht weiter aufbläht wie bisher, gerät ein zentrales Paradignma unserer Weltwirtschaft ins Trudeln: das Wachstum. Ohne Wachstum geht gar nichts, versichern uns die Wirtschaftsführer und Politiker unentwegt. Vielen Zuhörern schien es so, dass ohne eine Abwendung von diesem irrsinnigen Wachstumstrieb eine sichere Zukunft für uns Menschen und unsere Umwelt nicht denkbar ist. Da blockte Frau Griefahn ab: es wachse schließlich auch jeder Baum. Die Natur sei Wachstum. Das scheint doch eine gefährliche Verharmlosung der kapitalistischen Strukturen unserer Konzerne zu sein. Denn das Wachstum der Natur unterliegt dem ständigen Wechsel von „Stirb und Werde“, der auch für die von Griefahn skizzierte Kreislaufwirtschaft kennzeichnend sein könnte. Aber da gäbe es nicht die Wachstumsraten, auf denen Börsen, Banken und Geldhändler die Spirale aufbauen, die irgendwann zum Absturz der Wirtschaft führt (aber womöglich erst dann, wenn wirklich der letzte Baum gerodet und der letzte Fluss vergiftet ist.).

IMG_2413Felicitas Gerull vom „Runden Tisch Natur-, Umwelt- und Tierschutz“, Monika Griefahn, Publikum