Legehennen in biologischer Landwirtschaft

5. Februar 2013
4. Vortrag der Reihe „Mensch-Tier-Beziehung im Fokus“
„Legehennen in biologischer Landwirtschaft“ (Hubertus v. Hörsten, Hof Wörme)
Seit 1986 bewirtschaftet Hubertus von Hörsten den Hof Wörme bei Buchholz nach Demeter-Kriterien biologisch-dynamisch. Damit die Bio-Basis langfristig gesichert ist, wurde der Hof einem Treuhandverein übergeben. So gibt es neben der Bäckerei und dem Gemüsebau Viehhaltung in verschiedenen Bereichen: Schweinezucht, Rinder und Ziegen – und seit vier Jahren Legehennen. Nachdem die Milchwirtschaft durch den Preiskampf der großen Konzerne für den Hof Wörme wirtschaftlich nichts mehr hergab, entstand mit den Hennen ein neues Standbein für die Landwirtschaft. Kühe werden zwar auch noch gehalten – aber man sieht sie fast nie, weil sie mit ihren Kälbern die ganze Sommerzeit draußen auf der Weide sind. Milch wird nicht mehr produziert
Die Haltung von Legehennen nach Demeter-Kriterien ist von vielen Hemmnissen gekennzeichnet. Der Weltmarkt für Eier und Legehennen (wie auch für den Bereich der Masthühner) wird von drei Konzernen weltweit dominiert. Einer davon ist die Firma Lohmann aus Cuxhaven. Die Firma hat mit Bio nichts am Hut und konzentriert sich auf vier Hybridlinien, daneben gibt es keine wirtschaftlich nutzbaren Hühnerrassen mehr – da hatten Schweinezüchter besser aufgepasst und aussterbende Rassen wie die Bentheimer und andere gerettet, die für den Bio-Bauern eine bedeutsame Rolle spielen. Bei den Hühnern gibt es erst neuerdings Ansätze,  neben dem Weltmonopol der vier Lohmann-Hybriden andere möglicherweise vielfältiger nutzbare Rassen zu züchten.
Auch für Bio-Bauern ist die Wirtschaftlichkeit ein  wesentliches Kriterium der Tierhaltung. Wenn ein Huhn nur 200 oder noch weniger Eier im Jahr legt, rechnet sich die Investition größerer mobiler Ställe nicht, und der Bauer kann von seiner Arbeit nicht leben. Die Demeter-Richtlinien für die Haltung von Legehennen und die Produktion von Bio-Eiern sehen noch strengere Auflagen vor,  welche Sicherheitspausen einzulegen sind, wenn beispielsweise eine Antibiotika-Behandlung erforderlich wird (die es in Wörme bisher nicht gab) oder wenn eine der vorgeschriebenen Impfungen erfolgte. Die Erfahrungen in Wörme zeigen, dass eine Stallgröße von ca. 400 Legehennen optimal ist. Der Bauer kann den Überblick behalten, ob es Unregelmäßigkeiten im Bestand oder im Auslauf gibt. Die Hühner reagieren positiv auf strukturierende Kontakte: morgens begrüßt der Bauer die Hühner im Stall, macht einen Mittagsrundgang und verabschiedet sich am Abend. Wichtig ist auch die Fütterung mit weitgehend hofeigenem Futter (Weizen, Grünfutter usw.), nur wenige Produkte müssen zugekauft werden, weil z.B. Sonnenblumen hier in der Nordheide nicht gut gedeihen.
Eine besondere Rolle spielen die männlichen Küken, die traditionell in der industriellen Eierproduktion einfach geschreddert werden, weil sie zu nichts gut sind. In Kooperation zwischen dem Hof Wörme, dem Bauck-Hof bei Amelinghausen  und weiteren biologischen Höfen und Großhändlern wird ein Projekt („Bruder-Hahn“) aufgebaut, das auch den männlichen Küken ein Leben ermöglicht. Sie sollen ein halbes Jahr in möglichst artgerechter Umgebung aufwachsen, ehe sie dann ebenfalls getötet und vermarktet werden. Konventionelle Hähnchen werden ungefähr 32 Tage (weniger als fünf Wochen) gemästet. Bio-Hühner brauchen dazu 10 Wochen, die Bruder-Hahn-Tiere 22 Wochen. Das verursacht Kosten, für die im Bruder-Hahn-Projekt ein Aufpreis von 4 ct. Pro Ei berechnet wird.
Warum braucht der Bio-Landbau denn überhaupt die Nutzung (und in der Regel Tötung) von Tieren? Wie wäre es, sich auf Gemüsebau zu konzentrieren? Ziel des biologisch-dynamischen Landbaus ist es, eine gesunde Natur zu bewahren und (wieder) herzustellen. Es gibt die grundlegende Zielsetzung, dabei keine künstlichen Mineraldünger einzusetzen. Wenn man die z.T. recht mageren Böden in der Heide und auch anderswo aufbessern will, braucht man dazu tierischen Dünger. Am besten eignen sich Kuhmist und der Hühnerkot.  Ohne diese Stoffe wäre der biologische Landbau nicht aufrecht zu erhalten. Nach dem Abschied von der Milchwirtschaft auf dem Hof Wörme ist die Legehennen-Haltung mit dem gesammelten Hühnerkot also ein wichtiges Element für den gesamten Hof mit allen seinen verschiedenen Betriebsteilen.
Und immer wieder funkt die Wirtschaftlichkeit dazwischen, wenn es um tiergerechte Lebensbedingungen geht. Es wäre wünschenswert, dass  jedes Tier (und auch jeder Mensch, der das möchte) Nachwuchs zeugen und aufziehen kann. Diese Erfahrung, im eigenen Nachwuchs in die Zukunft zu leben, ist ein existenzielles Grundrecht, sagen viele. Aber wenn Legehennen Eier ausbrüten dürften (und wenn auch nur punktuell oder in wenigen Fällen), stößt das schnell an wirtschaftliche Grenzen: Hühner, die sich um Küken kümmern, legen keine Eier. Das bedeutet Verdienstausfall bei weiterlaufenden Kosten (Futter, Kapitaldienst für Investitionen). Außerdem eignen sich die Hybrid-Rassen überhaupt nicht für diese Strategie – nach den Mendelschen Gesetzen gibt es aus diesen Eiern mal diese, mal jene Rasse, die Legeleistung ist unterschiedlich und betriebswirtschaftlich nicht tolerabel.
Und, so brachte es Hubertus von Hörsten in seinem überaus informativen Stegreifvortrag auf den Punkt, das Verhältnis von Tier und Mensch ist eben ein letztendlich überaus unausgewogenes: Er esse, sagte er, gern Fleisch. Da wir alle gern den entgegengesetzten Fall verhindern wollen (wer wird schon gern gefressen?) bleibt es auch im biologischen Landbau bei den bekannten Herrschaftsformen. Um es ganz ohne Ironie zu sagen: das Verhältnis ist kein gleichberechtigtes „Ihr gebt uns was ab und wir geben euch was ab“, ihr kriegt Futter und ein Dach über dem Kopf, wir kriegen dafür Milch und Eier. Wir kriegen deutlich mehr: wir beschneiden euer Tier-Leben auf wenige Jahre, dann geht es in die Schlachtung.
Allerdings – so zeigte die freundliche Diskussion – sehen die Bedingungen  auf dem Höf Wörme viel friedlicher aus. Es gab daher auch keine Kontroversen in der Debatte, sondern eher technische Detailfragen über die gelbe Lupine und neue Rasse der „Bleues“ (bei der die weiblichen Tiere als Legehennen nutzbar sind und die männlichen als Masthähnchern, es also keine Tötung jedes zweiten Tieres gibt). Wirklich neue Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Mensch und Tier gab es so nicht, aber die Einsicht, dass sich Mensch und Tier im biologisch-dynamischen Landbau doch mehr in der gegenseitigen Abhängigkeit erleben. Insofern unterscheiden sich die Herrschaftsverhältnisse dann eben doch von der  traditionellen Agrarindustrie, wo noch Verhältnisse an der Tagesordnung sind, die schlimmer sind als jedes System von Sklaverei und Menschenhandel  jemals gewesen ist.
(Ingo Engelmann)

Hier ein paar Videos zum Thema. Enjoy!



Und hier das Werbevideo vom Geflügelhof Schönecke……