Referentinnen: Caroline Hilgers, Physio- und Hippotherapeutin Heidi Eichhorn, Landesbeauftragte für Therapeutisches Reiten und Leiterin des Zentrums für Therapeutisches Reiten in Hamburg
Nach einer kurzen Begrüßung und Einleitung durch Sonja, begannen die Referentinnen ihren Vortrag anhand einer Grafik zum Beziehungsgeflecht der Aspekte Pferdesport – Pädagogik – Medizin – Psychologie mit den 5 Einsatzbereichen des Therapeutischen Reitens: unter sportlicher Motivation, zur heilpädagogischen Förderung, beim psychotheraputischen Reiten, als ergotherapeutische Behandlung sowie zum medizinischen Einsatz (Hippotherapie).
Diese Einsatzbereiche wurden anschließend genauer vorgestellt:
Therapeutisches Reiten wird medizinisch auf neurophysiologischer Grundlage eingesetzt; behandelt und stimuliert werden Bewegungs-/Beweglichkeitsdefizite. Eine physiotherapeutische Ausbildung mit entsprechender Weiterbildung ist hierfür Grundlage. Man macht sich die verwandten Bewegungsmuster (Schrittmuster, Schrittlänge, Schrittfrequenz) von Pferd (in der Gangart „Schritt“) und Mensch zu nutze. Dabei werden dreidimensionale Schwingungsimpulse (Drehbewegung, Beckenkippen und Auf-und-Ab) vom Pferd auf den Patienten übertragen. Dieses Wirkprinzip wird in einem Film sehr anschaulich modellhaft und in der Anwendung gezeigt. Die Therapeutin geht neben Pferd und Patient und gibt Kommandos an die das Pferd führende Person. Je nach Krankheitsbild werden unterschiedliche Bewegungsmuster/Schrittfolgen/Richtungswechsel durchgeführt. Beispielsweise bei folgenden Erkrankungen kann Therapeutisches Reiten medizinisch eingesetzt werden: neurologische Erkrankungen, MS, Schlaganfall, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, cerebrale Störungen, Querschnittslähmung, frühkindliche Schädigungen. In einem weiteren Film wird die Behandlung eines Kindes mit spastischer Tetraparese gezeigt, es wird deutlich, wie sehr das Kind durch die Behandlung und den Kontakt zum Pferd angeregt und erfreut wird. Die Referentinnen machen deutlich, dass durch Therapeutisches Reiten eine Heilung aber nicht möglich ist.
Die heilpädagogische Förderung kann von Psychologen, Pädagogen und Erziehern durchgeführt werden. Im „Centrum für Therapeutisches Reiten“ der Referentin Heidi Eichhorn kommen z.B. SchülerInnen aus Förderschulen. Deren Defizite (z.B. ADHS, Wahrnehmungsstörungen, Sozialkompetenz) werden durch Arbeit mit dem Pferd and der Longe, beim Voltigieren (aber nicht beim Reiten!) behandelt. Verbessern lassen sich dadurch z.B. Selbstwertgefühl, Selbsteinschätzung, Konzentrations- und Lernfähigkeit, Umgang mit Emotionen, personale und soziale Entwicklung (Sozialverhalten).
Im Rahmen von Ergotherapie kann eine „sensorische Integrationsbehandlung“ erfolgen. Trainiert werden dabei z.B. Fühlen, Motorik (Beweglichkeit, Geschicklichkeit) und Beziehungsaufbau. Auch hier wird das Selbstwertgefühl gesteigert. Der psychotherapeutische Ansatz wurde nicht konkret erörtert.
Bevor abschließend das Therapeutische Reiten (und Fahren) als Pferdesport für Menschen mit Behinderung erörtert wurde (auch hier mit einem Film u.a. mit Bein- oder Armamputierten ReiterInnen bei den Paralympics bzw. Specialympics),
gingen die Referentinnen auf die Therapiepferde ein: Die Pferde müssen ruhig und verständig sein, diese Reife haben sie nicht vor dem 5. oder 6. Lebensjahr. Bisher wurden dem o.g. Centrum geeignete Pferde angeboten. Vor dem Einsatz als Therapiepferd steht eine umfangreiche Ausbildung des Pferdes. So darf ein Therapiepferd nicht schrecken und auch nicht auf unbewusst ausgeübte Aktionen des Reiters/Patienten reagieren. Es muss auf den/die FührerIn hören, nicht auf den Reiter, es muss kräftig und ausdauernd, geduldig und intelligent sein. Auch spezielle Bewegungsabläufe, wie z.B. langsames Anhalten müssen eingeübt werden. Ein solches
Mit diesem Film wurde die Synchronität von Pferde- und Menschenschritt verdeutlicht und die Übertragung auf den reitenden Patienten gezeigt.
Die Referentinnen: Heidi Eichhorn (links) Caroline Hilgers (rechts)
Therapiepferd erhält große Wertschätzung von PatientInnen und TherapeutInnen. Hier wird ein Film mit Reit-Behandlung und Interviews von PatientInnen gezeigt. Vor dem jeweiligen Einsatz werden die Pferde aufgewärmt und gelockert.
An einen kräftigen Applaus schloss sich direkt eine vielfach genutzte Fragerunde an:
Besonderheit des Pferdes im Vergleich zu anderen Therapie-Tieren (z.B. Delphin, Hamster)? => das getragen werden, darauf sitzen, Pferde kommen auf den Menschen zu, „sehen hinter die Maske“.
Ausbildungswege zur Hippotherapeutin? => Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. (www.dkthr.de/ )
Finanzierung der Behandlung? => nicht durch die Krankenkassen, nur ganz selten als Einzelfallentscheidung; ein Nord-Süd-Gefälle in der Kostenübernahme durch Krankenkassen ist nicht bekannt. Das Unfallkrankenhaus Boberg kooperiert aber seit vielen Jahren mit dem o.g. Centrum.
Welchen Ausgleich erhalten die Pferde? => sie werden „normal“ geritten, haben durch Ausritte Abwechslung. Weidehaltung. Schutz der Tiere durch Ablehnung der Behandlung z.B. von übergewichtigen PatientInnen oder PatientInnen mit starker Spastik. Die Pferde werden mit Akupunktur und Reiki unterstützt und dürfen auf dem Hof alt werden.
Dauer + Kosten der Therapieeinheit? => 20 Minuten, 35€. Ein positiver Effekt kann sich schnell einstellen, für nachhaltige Effekte ist aber eine wiederholte Therapie nötig.
Ängstliche Menschen? => Langsam heranführen! Überzeugungsarbeit in Gespräch und Anschauung. Überwindung und Erlebnis lösen Anspannungen.
Reiten im Alter? => Es gibt Angebote für Anfänger und Wiederaufsteiger („50+“, „60+“).
Wirkprinzip? => Der/Die TherapeutIn bewirkt mit dem Handling des Pferdes eine Impulsgebung auf den/die PatientIn.
Mit nochmaligem Applaus und Dank an die Referentinnen endete die interessante, gut besuchte Veranstaltung.
Text: Jens Meyer